Gezeiten

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Gezeiten
Die Mitglieder der Produzentengalerie Kunstmix aus Bremen – Dirk Lohmann, Martin Koroscha, Ulrike Leopold, Udo Reutter, Leonie Nowotsch und Kathrin Lotz zeigen ihre recht unterschiedlichen Kunstpositionen.
Der Ausstellungstitel „Gezeiten“ soll die zyklische Natur von Prozessen, den künstlerischen wie auch der Galeriearbeit, verdeutlichen und hebt den Aspekt der Veränderung und Unvorhersehbarkeit hervor.


Eröffnung:
Samstag, 11. Oktober 2025, 18 Uhr
Einführung: Martin Koroscher

Ausstellung:
12. – 19. Oktober 2025

Geöffnet:
Samstag + Sonntag, 15 – 18 Uhr


Liebe Anwesende,

Ich begrüße Sie/Euch ganz herzlich hier im Künstlerhaus Hamburg - Bergedorf zur Ausstellung „Gezeiten“ mit Werken von Mitgliedern der Produzentengalerie Kunstmix aus Bremen.
Mein Name ist Martin Koroscha und ich bin Mitbetreiber vom Kunstmix und somit hier auch einer der Aussteller.

„Kunstmix“ existiert seit 16 Jahren und ist im Bremer Schnoor angesiedelt. Der Name ist Programm, alles Sparten bildender Kunst werden dort, nicht nur von den Betreibern sondern auch Gästen gezeigt. So waren u.a. Rolf Naedler oder Paolo Moretto auch bei uns vertreten.
Wir alle kennen den Begriff „Gezeiten“, er steht für den Wechsel von Ebbe und Flut. Es sind die Wasserbewegungen der Ozeane, die durch die,von Mond und Sonne, erzeugten Gezeitenkräfte im Zusammenspiel mit der Erddrehung verursacht werden.
Im übertragenden Sinne und so für diese Ausstellung, steht der Begriff für einen immer wiederkehrenden Wechsel, der von außen beeinflußt wird. Er verdeutlicht die zyklische Natur von Prozessen und hebt den Aspekt der Veränderung und des Unvorhersehbarkeit hervor. Sowohl in unserer Galeriearbeit z.B. durch Wechsel der Mitglieder oder bei den Umsätzen und Besucherzahlen, aber auch wir Kunstschaffenden selber sind diesem Wechsel ausgeliefert. Zeiten des kreativen Schubs, Ebbe der Ideen, erneute Flut und wieder ein Stillstand usw.

*„Die Farbe ist der Ort, wo unser Gehirn und das Weltall sich begegnen. Darum erscheint sie den wahren Malern durchaus dramatisch.“ * Mit diesem Zitat von Paul Cézanne möchte ich auf die erste Künstlerposition eingehen, denn Udo Reutter zeigt Werke aus zwei Serien, in denen er sich mit der Energie der Farbe als Gegenstand der Malerei auseinandersetzt.
In seinen „Farbobjekten auf Holz“ wird von ihm die Farbe in fast monochromer Ausführung unter Verarbeitung vieler Schichten aufgetragen ist. Durch diese Art der Farbgebung kann Tiefe, Ruhe und Räumlichkeit erzeugt werden.
Die Formgebung wird weitestgehend an den Bildrand verlegt, und für jedes Bild eine andere amorphe Außenform gefunden. Er sprengt somit das klassische rechteckige Format. Diese im Malprozess gefundenen Außenformen treten in Beziehung zu den Ausstellungsräumen. Die Energie der manuell in langwierigem Prozess hergestellten Malerei, strahlt meditative Ruhe aus und wirkt wie ein Gegenpol zur Reizüberflutung heutiger schnelllebiger Medienvielfalt. In seiner Serie „Farbspuren“ nutzt er das Rechteck und die Leinwand als Bildträger und verwendet die traditionelle Malerei mit Eitempera Zufall und Eingriff , auch Kontrolle treten in eine Beziehung in dem Malprozß, bei der die Farbe Vielfalt zeigen kann. Farbe steht dabei für ursprüngliche Natur, das Universelle, das letztlich nicht kontrolliert werden kann.

Auch für Kathrin Lotz ist ihre Malerei in erster Linie ein intuitiver Prozess. Das Einzige was zu Beginn bei ihr feststeht ist das Format und die erste Farbe, eigentlich eine Unfarbe, ist zumeist schwarz.
Im Vordergrund steht das Arbeiten mit Polaritäten. Große Bedeutung hat für sie das „Dazwischen“. Schichten unter einer Farbschicht, feine Farbnuancen zwischen kalt und warm, schwarz und weiß, Spannung zwischen unterschiedlichen Flächen. Der Entstehungsprozess der Bilder ist durch spontane Spuren, als auch durch Übereinanderlagerung von verschiedenen Farbflächen geprägt. Durch das Reinkratzen in die nasse Farbe wird die untere Schicht hervorgehoben und sichtbar. Das, was unter der sichtbaren Fläche ist, gewinnt dadurch an Bedeutung. Das Erahnen von Spuren und Strukturen„unter der Oberfläche“ gibt einen Einblick in die Entstehung des Bildes. Durch groß gesetzte Flächen entstehen Bildräume, denen zeichnerische Elemente entgegenstehen. In diesem Prozess der Verdichtung entsteht das Bild.

Bei meiner Malerei ist die Idee der Anfang um das Thema „Raum“ auf die Leinwand zu bringen. Ich konstruiere ohne digitale Vorlagen mit Lineal und Bleistift Orte, Räume und Landschaften allein aus der Vorstellung. Dazu benutze ich eine Art Baukastensystem mit Modulen die universell sind und frei von Individualität. So biete ich den Betrachtern einen Einstieg, diese in Acrylfarbe umgesetzten Räume mit der eigenen Erfahrung zu füllen. Meine Raumillusionen sind oft mit einer übersteigerten Linearperspektive ausgeführt sind, das Fehlen von Schlagschatten führt zu einer Schwerelosigkeit des Dargestellten. Die Strenge der architektonischen Elemente befindet sich in einer Spannung zu den malerisch ausgeführten Bäumen, es erscheint ein Widerstreit zwischen Natur und Konstrukt. Meine Bilder sind von einer surrealen Tendenz, deren Bildsprache der digitalen Welt entsprungen zu sein scheint. Die Landschaften sind nur scheinbar Entwürfe einer Idylle. Meine aktuellen Arbeiten beinhalten auch neue Elemente, die Transparenz suggerieren.

Leonie Nowotsch setzt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit dem komplexen und oft widersprüchlichen Verhältnis von Mensch und Natur auseinander. Sie interessiert besonders die fragile Grenze zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit sowie die gegenseitige Beeinflussung beider Sphären. Anhand von Beispielen aus der Tierwelt untersucht sie, wie der Mensch Natur überformt, umgestaltet oder ihr eine neue Bedeutung zuschreibt. Ihre Werke entstehen in unterschiedlichen Medien – von Zeichnung über Skulpturen bis hinzu Assemblagen aus Readymades und Tierpräparaten. Dabei wählt sie das Material stets in Abhängigkeit vom jeweiligen Konzept. Die Form folgt der Idee, wobei sie bewusst genreübergreifend arbeitet, um ihren Themen ein breites Ausdrucksspektrum zu verleihen.
Es ist ihr ein zentrales Anliegen, aktuelle Fragen zum Miteinander von Mensch und Tier sowie zur Rolle des Menschen innerhalb ökologischer Zusammenhänge künstlerisch zu reflektieren. Ihre Arbeiten zielen darauf ab, emotional zu berühren und zugleich zum kritischen Nachdenken über unsere Beziehung zur natürlichen Umwelt anzuregen.
Leonie Nowotschs Kolibri-Serie besteht aus farbintensiven Buntstiftzeichnungen, die Kolibris zeigen, wie sie mit Softdrink-Dosen interagieren und daraus trinken. Die Arbeiten beziehen sich auf eine wissenschaftliche Studie, die das veränderte Verhalten von Kolibris durch künstliche Fütterung im ecuadorianischen Nebelwald untersucht. (Fast Food für Kolibris - Experimentelle Untersuchungen an Kolibri-Feedern im ecuadorianischen Nebelwald von Claudia Müller) Die Vögel entwickeln dabei eine Vorliebe für die zuckerhaltigen Flüssigkeiten aus künstlichen Trinkgefäßen und vernachlässigen ihre natürlichen Nahrungsquellen – mit weitreichenden Folgen für das ökologische Gleichgewicht. Ihre Bilder spiegeln dieses Phänomen wider und ziehen Parallelen zur menschlichen Faszination und Abhängigkeit von industriell hergestellter Nahrung. So entstehen poetische, aber kritische Bilder, die den Einfluss menschlicher Eingriffe in natürliche Systeme sichtbar machen und Fragen nach Verantwortung, Gewohnheit und Manipulation aufwerfen.

Muster und Strukturen in ihren unterschiedlichsten Erscheinungsformen sind die zentrale Inspirationsquelle der Arbeit von Ulrike Leopold. Damit ergeben sich auch immer wieder neue Themen und Serien.
Zur Zeit beschäftigt sie sich mit den Mustern /Strukturen von traditionellen rot-weiß karierten Küchenhandtüchern.
Bei der Serie „Floating Towel Nets“ scheinen gefaltete Handtücher leicht und flatternd im Raum zu schweben – fast so, als würden sie sich auflösen.
In „Blood, Sweat and Tears“ dagegen ist das Handtuch aufgelöst/dekonstruiert, in Einzelteile zerfallen. Diese Fragmente verteilen sich über die Wand, wirken eigenständig und bleiben doch miteinander verbunden, Diese traditionellen Küchenhandtücher stehen für die Sehnsucht nach Rückzug, Geborgenheit und Einfachheit – für das Gefühl der„guten alten Zeit“, in der scheinbar alles besser war.
Auch die Fotoserie„Home Sweet Home“ greift dieses Thema auf. Alte Möbel und vertraute Gegenstände wecken nostalgische Erinnerungen, doch durch die starke farbliche Verfremdung entsteht eine traumartige, entrückte Welt. Es sind Brüche, Irritationen, Unstimmigkeiten – Momente, die das vermeintlich Vertraute ins Wanken bringen und die Erfüllung der Sehnsucht in Frage stellen.

Der Fotograf Dirk Lohmann ist mit großformatigen Drucken vertreten, die sich mit dem Ausloten technischer Möglichkeiten fotografischer Bilder beschäftigen. Mit spielerischer Neugier experimentiert Lohmann Ergebnis offen seine Objekte fotografisch festzuhalten. In diesem Fall ist es nicht die Kamera sondern ein handelsüblicher Flachbettscanner, der als Aufnahmegerät dient. Eine schwarze Box auf dem Scanner installiert funktioniert wie ein dunkles Studio, in der die Objekte eingeführt und abgescant werden. Es entsteht ein faszinierender mystischer Hell-Dunkel Effekt der an altmeisterliche Malerei erinnert. Dabei ist die Auswahl der Objekte eher zufällig und folgt wiederum der spielerischen Natur.

Ich bedanke mich im Namen der Kunstmix-Künstlerinnen und Künstler für Interesse. Lassen Sie sich von den Eindrücken überfluten oder geniessen sie die Ruhe, die den Werken auch innewohnt.

Wir sind dankbar für die Möglichkeit hier unsere Arbeiten zu zeigen.
Herzlichen Dank an Rolf und dem Künstlerhaus Bergedorf für die Kooperation.

12. September 2025
© Martin Koroscha

Label Text

Die Ausstellungen und die Website werden mit Mitteln des Bezirksamtes Bergedorf und der Kulturbehörde Hamburg gefördert.

© Künstlerhaus Hamburg-Bergedorf / Möörkenweg 18 b-g / 21029 Hamburg